Gegen den Pflegenotstand:
Mit dem PÜZ der Caritas soll ein bis dato einmaliges Modellprojekt entstehen.
Architekt Peter Dechant hatte vorab auf dem Freigelände der Caritas-Sozialstation St. Kilian in Mellrichstadt mit rot-weißen Bändern den Grundriss abgesteckt, auf dem das Pflegeübungszentrum (PÜZ) entstehen soll.
Ulli Feder begrüßte als Pflegedienstleiterin der Sozialstation und der Seniorentagespflege die geladenen Gäste und freute sich über das Interesse an dem anstehenden Projekt. Der „Grundriss“ ist gelegt, hier soll das Pflegeübungszentrum in Mellrichstadt aufgebaut werden. Zur Vorstellung des Modellprojektes haben sich am Dienstagmorgen die Beteiligten versammelt (von links): Kreiscaritas-Geschäftsführerin Angelika Ochs, MdL Steffen Vogel, Studentin Lisa Baumeister, Pflegedienstleiterin Ulli Feder, Prof. Dr. Holger Truckenbrodt, die Studentinnen Veronika Romanski, Tamina Bellovits und Isabell Zitzmann, stellv. Landrat Peter Suckfüll, die Studentinnen Carina Bischof und Franziska Brod sowie Johanna Dietz, Gesamtleiterin der ambulanten Altenhilfe.
Die Caritas-Geschäftsführerin für den Landkreis, Angelika Ochs, informierte, dass das Modellprojekt PÜZ Fahrt aufnehme und der Realisierung entgegen gehe. „Leider fehlen noch Dach und Wände, die Einrichtung wurde schon mal hingestellt“, wies sie humorvoll auf den Grundriss hin. Per se war dieses Modellprojekt etwas völlig Neues, bisher gebe es nichts Vergleichbares, was die Sache etwas schwierig mache.
Aber positive Anzeichen seien erkennbar, dass das Projekt vom Staatsministerium für Gesundheit und Pflege mit Geldern des Freistaates gefördert werde. Auch vom Deutschen Hilfswerk werde eine Förderung erwartet. Besonders begrüßte Ochs Prof. Dr. Holger Truckenbrodt von der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt (FHWS) mit seinen Studentinnen, die das Projekt im Vorfeld begleitet und eine Studie erstellt hatten. Alle beteiligten Mandatsträger und Multiplikatoren seien vorab eingeladen worden. Dank galt dabei den Landtagsabgeordneten Steffen Vogel und Sandro Kircher, mit denen gemeinsam um das Projekt gekämpft wurde und deren Büros auf dem Weg zur Förderung sehr unterstützt hätten. Ohne sie gäbe es das PÜZ nicht so bald, betonte Ochs.
Die Kreisgeschäftsführerin und die beiden „Erfinderinnen“ Johanna Dietz und Ulli Feder hätten ihm die Idee präsentiert, die in keine Schublade passe, begann Steffen Vogel seine Begrüßung. In München habe man damit zunächst nichts anfangen können, da Pflegeeinrichtungen nicht mehr gefördert werden. Die drei hätten dem Arbeitskreis im Gesundheitsausschuss das Modell vorgestellt, schließlich habe der Bayerische Landtag eigens einen Beschluss für dieses Modell gefasst, denn der Bereich brauche bei dem sich abzeichnendem Pflegenotstand Innovation. 150.000 Euro Förderung wurden zugesagt.
Als größte Pflegeeinrichtung wurden die Familien erkannt, ohne die es schon jetzt für den Staat große Herausforderungen gäbe. Vogel bezeichnete das PÜZ als wunderbare Einrichtung, in der man lernen könne, mit einer Pflegesituation zurecht zu kommen. Ganz Bayern würde auf dieses Modellprojekt schauen. Beispielhaft sei auch die Zusammenarbeit mit der FHWS. Der stellvertretende Landrat Peter Suckfüll zeigte sich „megastolz“ auf das „Leuchtturmprojekt PÜZ“ und dankte besonders Steffen Vogel. Man habe die Zeichen der Zeit erkannt, dass die demographische Entwicklung vor dem Landkreis Rhön-Grabfeld nicht Halt macht.
Johanna Dietz als eine der Initiatorinnen und Gesamtleiterin der ambulanten Altenhilfe im Kreiscaritasverband stellte das Modellprojekt für und mit pflegenden Angehörigen und pflegebedürftigen Menschen vor. Ziel sei es, eine optimale und zufriedenstellende Pflegesituation zu schaffen und dabei die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu ermöglichen. Dazu sei ein zeitweiser Einzug in das PÜZ mit buchbaren Leistungen hilfreich.
Das Projekt sei neutral, Pflegebedürftige könnten auch von anderen Pflegedienstleistern versorgt werden. Auch an eine Schulung der Angehörigen sei gedacht. Das Konzept würde sich während des Entstehens noch mit entwickeln, sagte Dietz. Ein wichtiger Aspekt, den die Studentinnen ins Spiel gebracht hatten, sei die Barrierefreiheit. Im PÜZ könnten bewusst Barrieren eingebaut werden, um häusliche Situationen nachzustellen. Die Finanzierung des laufenden Betriebs soll sich zusammensetzen aus normalen Leistungen der Pflege-/Krankenkassen und aus Selbstzahlern. Verhandlungen mit den Pflegekassen sollen noch aufgenommen werden.
Professor Truckenbrodt stellte kurz den Studiengang „Pflege- und Gesundheitsmanagement“ an der FHWS vor. Alle Studierenden haben eine Ausbildung in einem Gesundheitsberuf. Das Projekt PÜZ – finanziert durch den Freistaat Bayern – sei eine Aufgabe im 4. Semester. In komprimierter Form stellten die Studentinnen die Ergebnisse ihrer Arbeit vor, die in vier Themenfelder gegliedert waren: Umfrageergebnisse, Ausstattung, Öffentlichkeitsarbeit und Kommentare zum Projekt.
Die Pflegenden erwarten Anleitung bei der Pflege, Zugang und Einweisung in Hilfsmittel, feste Ansprechpartner und eine kurzfristige Einzugsmöglichkeit, wurden die Ergebnisse der Befragung zusammengefasst. Für die Öffentlichkeitsarbeit wurde ein Flyer gestaltet, dazu zwei aussagekräftige Plakate und ein Info-Heft. Die Kommentare zum Projekt fielen neben einigen kritischen Anmerkungen überwiegend positiv aus.
Ochs dankte Truckenbrodt und seinen Studentinnen für die Arbeit, die in der Studie steckt. Eine Nachbetreuung zu Hause wäre auch bedenkenswert. Geplant seien zunächst zwei Wohneinheiten mit einem Gemeinschaftsraum, erläuterte sie. Bei entsprechender Nachfrage könnte das PÜZ auf die doppelte Größe erweitert werden. Gedacht sei die Einrichtung nur für Bewohner des Landkreises Rhön-Grabfeld, weil die Caritas eine Institution ist, die im Landkreis tätig zu sein hat, erklärte Ochs. Die Sozialstation in Mellrichstadt sei prädestiniert, „innovative Gedanken zu haben“, lobte sie die Verantwortlichen.
Von Brigitte Gbureck / Rhön- und Streubote