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Pflegebedürftige Angehörige zu Hause versorgen: In Mellrichstadt im Landkreis Rhön-Grabfeld können Menschen ausprobieren, ob sie das leisten können. Das Pflegeübungszentrum ist bundesweit einmalig. Dort geht es nicht nur um die Pflege-Praxis.

© Ein Beitrag von Norbert Steiche BR24

Doris Linzert und Rudi Pschyk sind probeweise in eine von zwei Wohnungen des Pflegeübungszentrums (PÜZ) im unterfränkischen Mellrichstadt gezogen. Doris ist 76 Jahre alt. Sie lag ein halbes Jahr im Bett und hat ihre Beweglichkeit zum Großteil verloren. Rudi arbeitete jahrzehntelang als Zimmermann. Er war es also gewohnt, schwere Lasten zu heben. Aber jetzt geht ihm langsam die Kraft aus.

Damit er beim Heben seiner Lebenspartnerin seinen Rücken nicht schädigt, unterstützt ihn eine der Altenpflegerinnen im PÜZ mit passenden Tipps – zum Beispiel, wie Rudi Doris beim Aufstehen aus dem Bett helfen kann, wie er sie auf die Bettkante und dann mit einem besonderen Hebegriff in den Rollstuhl setzen kann.

Pflegeübungszentrum hilft pflegenden Angehörigen
Bis zu 21 Tagen kann man im PÜZ "wie im richtigen Leben" trainieren, ob man häuslicher Pflege gewachsen ist. Durch professionelle Anleitung werden Wege aufgezeigt und Hilfen koordiniert. Das Ergebnis des "Trainings" kann aber auch sein, dass die Fachkräfte zu einer stationären oder teilstationären Betreuung raten.

"Schlüsselstellen" wie zu Hause simulierbar
Im Pflegeübungszentrum kann auch simuliert werden, wie breit die Türen zuhause sind. Mit einfachen Holzelementen können die Türen hier zum Beispiel verengt werden, damit man probieren kann, wie man zum Beispiel mit einem Rollstuhl durchkommt. Auch im Badezimmer gibt es "Gedankenanreger": Mit Holzelementen wird ein Schrank unter dem Waschbecken simuliert.

Dass ein solcher Schrank einfach demontiert werden kann, soll den Betroffenen zeigen, dass mit kleinen Veränderungen deutlich mehr Beweglichkeit zu Hause geschaffen werden kann, damit man zum Beispiel auch mit dem Rollstuhl gut an das Waschbecken kommt.

Empathische Anleitung
Mit viel Geduld und Zuwendung unterstützen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Pflegeübungszentrums die Betroffenen, die sich mit ihren Ängsten und Sorgen zunächst oft alleine gelassen fühlen. Ulrike Feder leitet das von der Caritas getragene PÜZ. Sie bringt die Gedanken der Menschen auf den Punkt: "Was passiert in nächster Zeit mit mir, was kann ich überhaupt noch alleine, wo bekomme ich Unterstützung? Diese Überforderung versuchen wir hier im Übungszentrum aufzufangen."

Pflegeübungszentrum bislang einmalig
Der Bedarf für Pflegeübungszentren für Betroffene ist theoretisch enorm: Fünf Millionen Pflegebedürftige gibt es laut dem Statistischen Bundesamt in Deutschland. 84 Prozent davon werden zu Hause versorgt. Bislang ist das PÜZ in Mellrichstadt bundesweit aber noch einmalig. Die meisten "Trainierenden" kommen aus dem Landkreis Rhön-Grabfeld. Es zogen aber auch schon Betroffene aus Schweinfurt, Würzburg oder Baden-Württemberg "zur Probe" ein.

Schwere Entscheidung für Betroffene
Doris und Rudi sind sich im Augenblick nicht sicher, ob sie die Pflege zuhause alleine stemmen können. Die beiden entscheiden sich schweren Herzens, zur Sicherheit auch stationäre Pflege auszuprobieren. Für beide wäre es ein einschneidender Schritt, wenn sie künftig getrennt leben müssten. Sie kennen sich seit 23 Jahren. "Einfach ist es nicht, für uns beide nicht", sagen Doris und Rudi.

Doris kommen dabei die Tränen. Rudi schaut verzweifelt auf den Boden. Es sind ganz existenzielle Entscheidungen, die die Menschen hier nach ihrem Übungsaufenthalt für sich, ihre Partner oder Angehöre treffen müssen. Die Altenpflegerin Christin Mähler reicht Doris die Hände. Sie versucht, wie alle Pflegekräfte hier, mit viel Empathie und Zuwendung die Betroffenen mit all ihren Sorgen und Ängsten nicht alleine zu lassen. "Ihr guckt Euch das erst einmal an", sagt sie und streichelt weiter die Hände von Doris. Nach ein paar Minuten hat sich die 76-Jährige wieder gefangen: "Wir sind schon froh, wir fühlen uns hier gut aufgehoben", sagt sie.

Mit Preis ausgezeichnet
Schon vor seiner Fertigstellung wurde das PÜZ 2018 für sein Konzept in Berlin mit dem bundesweit ausgeschriebenen Preis "Häusliche Pflege" ausgezeichnet. Der Preis war mit 3.000 Euro dotiert.

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